Beispielhafte Fragmente zur Situation von Frauen in Kunst und Kultur

Die Regel der umgekehrten Proportionalität Kunstuni-Absolventinnen werden zu Hausfrauen Künstlerinnen sind arm

Diese Studie hat nicht den Anspruch, eine Ist-Analyse über die Unterrepräsentation von Frauen in Kunst und Kultur in Österreich zu sein, sie soll vielmehr eine Strategie entwerfen, wie eine Symmetrie der Geschlechter erreicht werden kann. Trotzdem ist es notwendig, die wichtigsten Tatsachen zum Thema nocheinmal zusammenzufassen und so ein schematisches Bild zu entwerfen wie und warum Frauen nachwievor im Feld der Kunst und Kultur benachteiligt sind.

Die Regel der umgekehrten Proportionalität

„Je mehr Ehre damit verbunden ist, desto weniger Preisträgerinnen/Projektleiterinnen gibt es. Je höher die Summe eines Preises/eines Verdienstes, desto niedriger der Frauenanteil“. Damit beschreibt Elisabeth Vera Rathenböck
1 sehr treffend, die Situation für Frauen in der Kunst und Kultur. Dazu gehört, daß Frauen nachwievor diejenigen sind, die die arbeitsintensive (meist ehrenamtliche) Hintergrundarbeit in den Kulturinitiativen erledigen und vor allem im vermittelnden Bereich arbeiten. Dies belegt die 1997 durchgeführte Untersuchung mittels Fragebogen bei OÖ. Kulturinitiativen, die in der Studie „Frauen - Kultur|Frauen“2 dokumentiert ist . Neuer ist eine ähnliche Untersuchung von Kulturspur Salzburg und des Dachverbandes Salzburger Kulturstätten vom Juli 20003. Hier ergibt sich ein ähnliches Bild wie in Oberösterreich, wobei es offensichtlich in der Salzburger Freien Kulturszene mehr weibliche Beschäftigte gibt - selten aber in Führungsfunktionen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die europaweite Untersuchung von Ericarts
4. Sie untersucht die Feminisierung des kulturellen und medialen Felds und zeigt die ungleichmäßige Verteilung von Frauen im Feld der Kunst und Kultur auf: „The following "pyramid of success/failure" summarises the findings of the regional and national reports in terms of a hierarchical structure: the gains of women are at the bottom of the hierarchy, the diminishing successes at the top. It can be, of course, asked whether the feminisation at the bottom is really a gain. The stepwise diminishing share of women towards the top can be seen as a generalisation of the old adage of the glass ceiling: women do advance to a certain point in their careers but then their progress stops as if there were an invisible barrier which they cannot penetrate. The Finnish national report suggests that the ”glass ceiling” can be found at the managerial level, in leadership advancements and in salary distribution: women occupy at best some 20 % of the positions of top managerial posts; and similarly the share of women in the higher salary classes do not exceed the 20 per cent limit“.


Kunstuni-Absolventinnen werden zu Hausfrauen

Der Anteil der Frauen an den österreichischen Kunstuniversitäten stieg zwar in den letzten 30 Jahren an5, doch viele dieser Frauen „verschwinden“ schon während ihrer Ausbildung und erst recht einige Jahre nach Studienabschluß. Barbara Klein erklärt dieses Phänomen so: „Ein arbeitsloser Künstler ist ein arbeitsloser Künstler, eine arbeitslose Künstlerin ist Hausfrau“6. Hier wirkt die geschlechtsspezifische Rollenzuweisung noch immer sehr stark, scheinbar gelingt es Frauen weniger sich in der Kulturmaschinerie soweit durchzusetzen, daß sie von ihrer künstlerischen Arbeit leben können.
In diesem Zusammenhang sei vor allem auf die notwendige Neukonzeption der Curriculae an den Kunstuniversitäten verwiesen, die auf einen aktuellen, gesellschafts- und bildungspolitischen Kontext eingehen müssen, um gerade Absolventinnen für eine professionelle künstlerische Tätigkeit vorzubereiten
7.

Künstlerinnen sind arm

Die soziale Situation von kunstschaffenden Frauen ist nach wie vor trist. Die Studie „Die Hälfte des Himmels“
8 belegt dies mit nackten Zahlen: Rund zwei Drittel der befragten Künstlerinnen haben ein monatliches Nettoeinkommen unter ÖS 20.000.-, 15% müssen mit bis zu ÖS 5.999,- auskommen. Nur 14% verdienen mehr als ÖS 25.000.- Bildende Künstlerinnen und Literatinnen verdienen schlechter als darstellende Künstlerinnen und Musikerinnen. Nur ein Viertel der Künstlerinnen bezieht mehr als 75% ihres Nettoeinkommens aus der künstlerischen Tätigkeit, die Mehrheit hat Nebenjobs, vor allem aber auch wieder im kunstnahen Feld. Kein Wunder also, daß zwei Drittel auf die Frage „Fühlen Sie sich als Künstlerin ausreichend ins soziale Netz eingebunden?“ mit „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ antworten, nur 92% sind krankenversichert - in Österreich, wo eigentlich (noch) von Vollversorgung in der Krankenversicherung gesprochen werden kann.
Daß hier Frauen gegenüber Männern benachteiligt sind, weist die 1997 fertiggestellte Untersuchung „Thema Kunst“
9 für die bildenden Künstlerinnen nach. Künstlerinnen verdienen demnach 20% weniger als ihre männlichen Kollegen, das durchschnittliche monatliche Nettogesamteinkommen der Frauen liegt bei ÖS 11.899.-, jenes der Männer bei ÖS 14.714.-. Das Einkommen aus der Kunst liegt bei den Frauen bei ÖS 8.150.-, bei den Männern bei ÖS 11.075.-. Anlehnend an Bourdieus These der Umwandlung einer Kapitalform in eine andere (Bourdieu unterscheidet zwischen ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapital10), stellen die StudienautorInnen fest, daß 25% der Männer und nur 14% der Frauen ökonomisches Kapital besitzen. Bei Männern können soziales und kulturelles Kapital sich für die Umwandlung in ökonomisches Kapital ersetzen. Künstlerinnen, die kein soziales Kapital besitzen, können diesen Mangel nicht durch kulturelles Kapital ausgleichen. Ebenso kann kulturelles Kapital nicht durch soziales Kapital ersetzt werden, nur 9% der Künstlerinnen dieser Gruppe gelingt es zu ökonomischem Kapital zu kommen. Resümierend stellen die AutorInnen fest, daß Künstlerinnen über mehr als eine Kapitalform verfügen müssen, um zu ökonomischem Kapital zu kommen. Eine Bestätigung der in der Frauenbewegung weit verbreiteten These, daß Frauen immer „doppelt so gut“ sein müssen, um Erfolg zu haben.

Marie Luise Angerer beschreibt den/die „cultural worker“ in der tendenziellen Entwicklung als „eine durchschnittlich 25-30jährige Person, multiskilled, flexibel, psychisch stark im Nehmen, unabhängig, alleinstehend, ortsungebunden, die zugreift, wo es im Bereich der Kunst, der Musik, der Medien etwas gibt“
11. Damit verbunden ist die Zunahme von Self-Employment, hohe Arbeitslosigkeit und hohe Minderbeschäftigung, neue „gepatchworkte Lebensentwürfe selbst für Hochqualifizierte“12 - wer dem Druck nicht standhalten kann, ist draußen.


1Elisabeth Vera Rathenböck, Mater-Realien, in KUPF (Hg.), Frauen - Kultur|Frauen, Linz 1997, Seite 143
2KUPF (Hg.), Frauen - Kultur|Frauen, Linz 1997
3Kulturspur, Dachverband Salzburger Kulturstätten (Hg.), Ulli Gschwandtner, Zum Geschlechterverhältnis in Kulturvereinen des Bundeslandes Salzburg, Juli 2000
4 Ericarts (Hg.), 2nd European Expert Conference on Women in Arts and Media Professions, Background Paper for Discussion
5 siehe Tabelle aus Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (Hg.), Hochschulbericht 1999, Band 1, Seite 92
6 Gespräch der Autorin mit Barbara Klein (Link*, kosmos.frauenraum) in Wien am 9.Sept. 2000
7 vgl. Eva Maria Kosa,Cultural Reproducers? Zur Bildungssituation von KünstlerInnen im kulturpolitischen Kontext, in KUPF (Hg.), Frauen - Kultur|Frauen, Linz 1997, Seite 79 ff.
8 Edith Almhofer et. al., Die Hälfte des Himmels, Wien 2000
9 Schulz et. al., Thema Kunst, Zur sozialen und ökonomischen Lage der bildenden Künstler und Künstlerinnen in Österreich, Wien 1997. Seite 94 ff.
10 vgl. hierzu insbesondere Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede, Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt/Main 1979/1998. Eine sehr gute verständliche Kurzzusammenfassung findet sich in Gerhard Fröhlich, Kapital, Habitus, Feld, Symbol, Grundbegriffe der Kulturtheorie bei Pierre Bourdieu, in: Ingo Mörth, Gerhard Fröhlich (Hrsg.), Das symbolische Kapital der Lebensstile, Zur Kultursoziologie der Moderne nach Pierre Bourdieu, Frankfurt/Main, 1994
11 Marie Luise Angerer, Cultural worker - who are you?, in Österreichische Kulturdokumentation et. al. (Hg.), cultural competence, Kultur als Kompentenz, Wien 1999, Seite 26
12 vgl. Heidi Grundmann, Cultural worker - who are you?, in Österreichische Kulturdokumentation et. al. (Hg.), cultural competence, Kultur als Kompentenz, Wien 1999, Seite 33